Wissenswertes

Risiken einer Epilepsie

Risiken einer Epilepsie

Sehr geehrte, liebe Eltern, Sorgeberechtigte und Betreuende,
wir möchten, dass Sie über die Risiken einer Epilepsie gut informiert sind und Sie die Punkte, die Sie besonders beschäftigen, mit uns persönlich besprechen. Dieser Text soll das Gespräch ergänzen und unser Wissen zusammenfassen.

Epileptische Anfälle können aus mehreren Gründen gefährlich sein:

  • Unfallgefahr bei Kontroll-/Bewusstseinsverlust (Sturz, Ertrinken, Verletzung…).
  • ein großer (bilateral tonisch-klonischer) Anfall, der länger anhält und nur schwierig zu unterbrechen ist (konvulsiver Status epilepticus)
  • Schwierigkeiten in der Entwicklung des Kindes, die es selten bei schweren Epilepsien mit sehr häufigen Anfällen gibt.
  • SUDEP

Über SUDEP möchten wir Sie hiermit informieren

Beim SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy), also dem plötzlichen und unerwarteten Tod im Rahmen einer Epilepsie, wird ein Mensch mit Epilepsie ohne erkennbare Vorzeichen und ohne Hinweise auf eine Ursache tot aufgefunden. Zumeist sterben die Menschen in der Nacht im Bett und dabei liegen sie häufig in der Bauchlage – so wie die Säuglinge beim plötzlichen Säuglingstod, einem Ereignis, von dem Sie vermutlich schon gehört haben. Noch seltener tritt der SUDEP aus dem Wachzustand heraus auf. Auch eine stationäre Behandlung im Krankenhaus kann nicht sicher vor einem SUDEP bewahren.

Da jeder einzelne Fall schrecklich ist, wird der SUDEP intensiv erforscht mit dem Ziel, Möglichkeiten der Vorbeugung zu finden. So fand man heraus, dass der SUDEP in aller Regel nach einem (großen) tonisch-klonischen epileptischen Anfall, früher sog. Grand-Mal-Anfall, auftritt, wenn die Atem- und Kreislauffunktionen, anstatt sich zu erholen, plötzlich zum Stillstand kommen.

Vorsorge ist wichtig

Bei Erwachsenen mit einer aktiven Epilepsie geht man aktuell davon aus, dass von 1000 Patienten ein Mensch im Laufe eines Jahres an einem SUDEP verstirbt. Die Zahlen im Kindesalter sind demgegenüber weniger klar: Das Risiko wird zum Teil als ähnlich hoch eingeschätzt, manche Untersuchungen sprechen aber dafür, dass das Risiko niedriger und bei einem Fünftel gegenüber Erwachsenen liegt.

Gerade bei Kindern ist wichtig, dass sich die Risiken je nach Ursache der Epilepsie, Epilepsiesyndrom, Alter und Begleiterkrankungen deutlich unterscheiden. Dennoch kann ein SUDEP selbst bei ansonsten ganz „gutartig“ verlaufenden Epilepsien sehr selten vorkommen

Folgende Risikofaktoren sind aus Studien an erwachsenen Patienten bekannt:

  • Fehlende Anfallsfreiheit unter der Therapie
  • Auftreten von großen (bilateralen tonisch-klonischen) Anfällen, v.a. aus dem Schlaf, wobei das Risiko mit der Häufigkeit der Anfälle steigt
  • Fehlende nächtliche Begleitperson
  • Bestimmte Epilepsieformen, z.B. Dravet-Syndrom

Der SUDEP tritt nach einem (meist bilateral tonisch-klonischem) Anfall auf. Mit einer Verzögerung von meist 15-30 Minuten (selten bis 60 Minuten) kommt es zu einem Atemstillstand und verzögert Herzstillstand, an dem die Menschen versterben. Wir gehen davon aus, dass der Anfall die Steuerzentren von Atmung und Herzschlag stört und der Selbstschutzmechanismus des Körpers sich nur langsam nach dem Anfall erholt.

Aus Forschungen über SUDEP haben wir gelernt, dass die Menschen, die an einem SUDEP verstorben sind, ganz ruhig eingeschlafen sind und selbst den nahenden Tod nicht bemerkt haben.

Was können wir tun?

Wir haben Hinweise darauf, dass Menschen, die nach einem nächtlichen großen Anfall so betreut werden, wie Sie dies intuitiv tun, seltener an SUDEP versterben.

  1. Nach Anfallsende ansprechen und aktivieren
  2. Licht machen, um das Kind beobachten zu können
  3. Auf die Seite drehen (auf keinen Fall mit dem Gesicht im Kissen liegen lassen)

Das bedeutet, es gibt eine sehr berechtigte Hoffnung, dass Sie dieses Ereignis durch Maßnahmen verhindern, die sie ohnehin tun würden, wenn Sie einen Anfall mitbekommen.

Besonders auf die Atmung achten

Nach einem großen Anfall sollte man daher ganz besonders auf die Atmung achten. Sollten Sie den Eindruck haben, Ihr Kind hört nach dem Anfall auf, zu atmen, sollten Sie zunächst kräftig stimulieren, also Ansprechen und auch in den Oberarm kneifen.
Jetzt auf jeden Fall 112 wählen und Hilfe holen. Wenn Sie weiterhin keine Regung wahrnehmen, sollte mit der Atemspende begonnen werden. Sollte Ihr Kind weiterhin leblos erscheinen, muss eine Herzdruckmassage begonnen werden.

Sollte bei Ihrem Kind ein erhöhtes Risiko für SUDEP vorliegen, sollten Sie ein Kinder-Reanimations-Training mitmachen, um Sicherheit zu gewinnen.

Verschiedene Möglichkeiten

Möglich ist auch eine nächtliche technische Überwachung. Es bieten sich Babyphone (mit Kamera) oder je nach Anfallsform auch bestimmte Geräte an, die im Bett oder am Kind angebracht werden. Bislang wurde nicht gezeigt, dass eine solche Überwachung einen SUDEP verhindern kann, aber sie verbessert die Erkennung von großen (tonisch-klonischem) Anfällen. Die nächtliche Überwachung kann dazu beitragen, bislang unbemerkte Anfälle zu erfassen und darauf basierend die Therapie zu verbessern und so individuelle Risiken zu senken.

Das Wissen um die Gefahr nächtlicher tonisch-klonischer Anfälle kann die Therapietreue verbessern. Keine Überwachung ist perfekt, so dass es einerseits zu falschen Alarmen und andererseits zu einer fehlenden Erkennung von Anfällen kommen kann. Welche Form der nächtlichen Überwachung für Ihr Kind bei entsprechenden Risiken am besten passen könnte, sollte sehr gut besprochen und abgewogen werden.

Eine gute Epilepsietherapie

Der beste Schutz vor diesem sehr seltenen Ereignis SUDEP ist die Anfallsfreiheit unter einer guten Epilepsietherapie. Das sollte das große Ziel sein. Durch die genannten Maßnahmen kann das Risiko für ein Auftreten eines SUDEP reduziert werden, dieser lässt sich aber nicht gänzlich verhindern.

Wenn wir gemeinsam über die Behandlung sprechen, dann geht es vor allem darum, dass das Leben Ihres Kindes und das der ganzen Familie möglichst rasch wieder in normalen Bahnen verläuft und sich die Sorge um Anfälle und deren Auswirkungen legt. Lassen Sie uns darüber im Gespräch bleiben.


Redaktion:

Priv. Doz. Dr. med. Thomas Bast, Epilepsiezentrum Kork
Dr. med. Ulrich Bettendorf, Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Hirschaid
Dr. med. Caroline Maxton, Zentrum für Kinderneurologie, Hamburg
Dr. med. Tilman Polster, Krankenhaus Mara gGmbH, Epilepsiezentrum Bethel
Priv. Doz. Dr. med. Susanne Schubert-Bast, Epilepsiezentrum Frankfurt Rhein-Main
Prof. Dr. med. Adam Strzelczyk, Epilepsiezentrum Frankfurt Rhein-Main

In Zusammenarbeit mit

Deutsche Gesellschaft für Epileptologie e.V., www.dgfe.info
Gesellschaft für Neuropädiatrie e.V., www.gesellschaft-fuer-neuropaediatrie.org
Arbeitsgemeinschaft Niedergelassener Neuropädiater e.V., www.ag-nnp.de

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